Andreas Winter über Beziehung und Partnerschaft: „Beziehungsfähigkeit muss man erst erlernen – aber das kann jeder!“

„Dass viele Beziehungen müde und mehr oder weniger konfliktreich vor sich hindümpeln, hat meiner Meinung nach nur einen Grund: Wir kennen unsere Partner gar nicht wirklich. Oft stellen wir Erwartungen an sie, die sie gar nicht erfüllen können! Unsere Erwartungen jedoch führen zu Enttäuschungen … und zu Stress!“ Bestseller-Autor und Diplom-Pädagoge Andreas Winter, dessen Ratgeber-Buch „Artgerechte Partnerhaltung“ nun in einer aktualisierten und vollständig überarbeiteten Taschenbuchausgabe erschienen ist, erklärt, wodurch falsche Erwartungen entstehen und wie wir lernen, uns selbst und die Bedürfnisse des Partners besser zu verstehen – für eine glückliche und beständige Beziehung.

Ihr Liebes-Ratgeber „Artgerechte Partnerhaltung“ erscheint inzwischen zum dritten Mal in über zehn Jahren als aktualisierte Version. Warum lässt Sie das Thema nicht los, und was ist das Besondere der Neuausgabe?

Winter: Das Thema Partnerschaft ist neben Beruf und Gesundheit eines der wichtigsten für uns Menschen. Klappt es in der Partnerschaft nicht, kann das einen Menschen extrem belasten und schwächen. Eine kriselnde Liebesbeziehung kann seelisch und körperlich krank machen. Der Grund, warum ich das Thema noch einmal aufgegriffen habe, ist, dass unsere Gesellschaft sich wandelt. Nicht nur, dass durch die Globalisierung sich Kulturen und Ethnien vermischen, sondern das fehlende Wissen über die Eigenschaften und Unterschiede wird auch zunehmend zum Konfliktstoff. Durch die neue Taschenbuchfassung ergab sich zudem für mich die Gelegenheit, dieses mir so wichtige Buch als Hörbuch einzusprechen.

Gebrochene Herzen, Scheidungskriege und Einsamkeit sind ein Milliardenmarkt für Mediziner, Psychologen, Partnervermittler, die Unterhaltungsindustrie und die Kirche. Was unterscheidet Ihren Coaching-Ansatz von den Kollegen aus der „Glücksversprecher-Wirtschaft“?

Winter: Wahrscheinlich, dass ich als Wissenschaftler versuche, den tatsächlichen Ursachen auf den Grund zu gehen, und dabei stets in Lösungen denke und nicht problem- oder prozessorientiert. Für mich gilt nicht „trösten“ oder „verdrängen“, sondern nur „auflösen“! Beziehungsprobleme und deren Auswirkungen sind natürlich ein lukratives Dauergeschäft. Wem man immer wieder Pillen gegen Depression verschreiben, einen kurzzeitigen unpassenden Partner gegen die Einsamkeit vermitteln oder dessen Sehnsucht mit Alkohol oder Liebesromanen betäuben will, der bleibt halt Dauerkunde. Als echte Hilfe macht man sich da aber irgendwann unglaubwürdig. Daher sage ich: Wenn wir doch über das Wissen, den Ansatz und das Instrumentarium verfügen, Menschen in eine konfliktfreie und harmonische Partnerschaft zu bringen, dann sind wir auch verpflichtet, das zu tun. Und es funktioniert hervorragend! Viele Menschen, die sich und den anderen erst einmal richtig verstanden haben, spüren, dass die Partnerschaft plötzlich stressfreier und die Lebensqualität dadurch höher ist.

Eine glückliche Partnerschaft gilt neben Wohlstand und Gesundheit als wichtigstes Merkmal von Lebensqualität. Warum kommt es ausgerechnet hier oft zu großen Schwierigkeiten?

Winter: Weil wir nicht aufgeklärt sind! Wer weiß denn schon, was es in soziologischer und psychologischer Hinsicht für Auswirkungen hat, dass jemand ein Zweitgeborener ist oder eine starke Vater-Bindung hat, eine lange Geburt hatte oder ein Kaiserschnitt-Kind ist? Das Wissen über uns Menschen gilt hierzulande als Expertenwissen! Wir kennen weder die Eigenschaften des anderen noch unsere eigenen, es fehlt oft an Selbst-Bewusstsein! Wer sich nicht verstanden fühlt, ist frustriert; wer vom anderen etwas erwartet, was er aber gar nicht erwarten kann, der setzt den Familienfrieden aufs Spiel. Hinzu kommen überkommene Glaubenssätze und Konventionen aus vergangenen Epochen, die heute keinerlei positive Funktion haben, wie etwa der Treueschwur. Treue ist wichtig für eine stabile Partnerschaft, aber sich auf Gedeih und Verderb zur Treue verpflichtet fühlen, ist nicht selten schon ein Tötungsgrund gewesen. Damit will ich aufräumen.

Im Vorwort zu Ihrem neuen Buch stellt Bernhard Reicher resigniert fest, dass menschliches Zusammenleben an einem Tiefpunkt angekommen sei. Dennoch behaupten Sie optimistisch, dass Beziehungsfähigkeit erlernbar und es dafür nie zu spät sei. Was sind die Voraussetzungen dafür?

Winter: Ich sehe es fast umgekehrt: Bernhard stellt sachlich fest, dass derzeit etwas gehörig schiefläuft, die Scheidungsraten geben ihm recht. Ich sage etwas resigniert, dass das daran liegt, dass man Beziehungsfähigkeit erst erlernen muss, wie Klavierspielen oder Pferdehaltung. Man kann sich nicht einfach in eine Partnerschaft stürzen und sagen: „So, wir bleiben jetzt ein Leben lang 24/7 zusammen.“ Das funktioniert doch nicht, oder höchstens nur, wenn man kaum hohe Ansprüche an den Partner hatte, so wie etwa vorige Generationen. Damals war man oft froh, wenn man überhaupt einen Partner hatte. Wenn der dann auch noch Geld verdiente oder tüchtig war, dann war das schon vollendetes Partnerglück. Damit allein ist doch heutzutage kein Mensch mehr zufrieden. Wir erwarten Übereinstimmungen in Kultur, Bildung, politischer Meinung, Musikgeschmack, Lebensalter, Generationenzugehörigkeit und vielem mehr. Und dann wollen wir vom Partner auch noch geliebt werden, weil unsere Eltern ihr Liebesversprechen uns gegenüber nicht eingehalten haben. Aber Liebe entsteht nicht durch Fordern und Erwarten, sondern durch Lieben, also durch Liebe geben, und nicht durch Warten, bis der andere gibt.

Als ernste Ursache von Beziehungsproblemen bezeichnen Sie versteckte Verhaltensmuster, mit denen man seine eigene Liebesfähigkeit sabotiert. Woher stammen diese, und wie wird man sie am besten wieder los?

Winter: Bereits während der Embryonalentwicklung verschalten sich in unserem Gehirn Neuronen und erzeugen damit bestimmte Wahrnehmungsmuster. Aufgrund der Neurotransmitter im mütterlichen Blut werden beim ungeborenen Baby Emotionen erzeugt, welche das Kind dann für seine eigenen hält. Eine eifersüchtige Mutter etwa, die sich vom Partner betrogen fühlt, kann davon ausgehen, dass ihr Kind genau das ebenfalls spürt und diese Gefühle als die eigenen abspeichert. Misstrauen und Argwohn sowie die Angst, verlassen zu werden, nehmen hier meist schon ihren Ursprung und werden dann in die künftige Partnerschaft mitgebracht. Oder: Eine zu starke Bindung an das gegengeschlechtliche Elternteil sorgt oft dafür, dass bei der Partnersuche ein solches „Ersatzelternteil“ gesucht wird. Eine extrem starke Ablehnung des gleichgeschlechtlichen Elternteils begünstigt das Phänomen der sogenannten Homosexualität, also einen Konflikt mit der eigenen Geschlechtsrolle. Das alles wäre vermeidbar oder zumindest aber auflösbar.

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Liebe und Verliebtheit, zwischen Partnerschaft und Beziehung, und warum werden diese so oft miteinander verwechselt?

Winter: Viele Menschen glauben, dass aus Verliebtheit die große Liebe wird, die dann ewig hält. Leider ist das ein Irrtum. Verliebtheit resultiert aus einer Wahrnehmungseinengung. Man fokussiert sich auf Gemeinsamkeiten und hat nur noch Augen für das, was einen verbindet. Ähnlich wie bei einigen Rauschdrogen, wie Kokain oder Heroin, wird der sogenannte „Realitätssinn“ untergraben. Verliebte haben derart viel Endorphin im Blut, dass sie oft einfach übersehen, wie wenig der angebetete Partner zu ihnen passt. Bis dieser Irrtum auffliegt, hat man einen goldenen Ring am Finger, denn es dauert Jahre, bis man einen Menschen tatsächlich kennt und entscheiden kann, ob man für immer zueinander passt. Bis man dann den Schritt zur Trennung schafft, vergeht noch einmal eine Ewigkeit. Verliebtheit kommt dadurch zustande, dass man seine Wahrnehmung nur auf die Eigenschaften des anderen richtet, die mit einem selbst zu tun haben. Musikgeschmack, Interessen, Modestyle usw. Wenn man dann Eigenschaften entdeckt, die man an sich selbst ablehnt, dann ist Schluss mit den Schmetterlingen im Bauch. Echte Liebe wird nicht an Eigenschaften festgemacht. Sie liebt auch ohne Gemeinsamkeit. Dazu bedarf es eines enormen Maßes an Selbstsicherheit, damit man sich nicht durch die Schwächen des anderen gleich umwerfen lässt.

Um einen möglichen Partner richtig einschätzen zu können, empfehlen Sie ein Werkzeug, das nicht gerade den besten Ruf genießt: die Astrologie. Welchen Nutzen haben Horoskope, und wie wirken sich die Sternzeichen auf unsere Liebes- und Beziehungsfähigkeit aus?

Winter: Zunächst möchte ich feststellen, dass ich ein großer Kritiker der modernen Astrologen bin und zudem nicht von Horoskopen spreche, sondern von Persönlichkeitseigenschaften. Diese sind offenbar ab Zeugung festgelegt und unveränderbar. Warum die Betrachtung dieser Eigenschaften in unserer Kultur verpönt ist und als lächerlich oder gar gefährlich gilt, mag ideologische Gründe haben. In vielen Gesellschaften, beispielsweise im asiatischen Raum, ist dies definitiv anders. Vielleicht liegt es auch daran, dass es derzeit keine Messmethoden für Sternzeicheneigenschaften gibt. Man kann sie lediglich empirisch beobachten und belegen, wenn man methodisch sauber arbeitet, doch diese Methodik war bis vor rund zehn Jahren noch gänzlich unbekannt. Kurzum: Da Stress entsteht, wenn das, was man erlebt und wahrnimmt, nicht dem entspricht, auf das man sich eingestellt hat, oder anders gesagt: Da blockierende Stresshormone ausgeschieden werden, wenn die Realität nicht so ist, wie man sie erwartet, dann bedeutet das doch, dass Unwissenheit über die Eigenschaften des anderen eine mächtige Stressquelle sein kann. Wenn man aber vom anderen nichts anderes erwartet als seine Eigenschaften, weil man diese kennt, dann lebt es sich viel friedlicher und entspannter. Wer also Bescheid weiß, ist im Vorteil.

Buch-Tipp:
Andreas Winter: Artgerechte Partnerhaltung. Das Geheimnis glücklicher und beständiger Liebe. Mankau Verlag 2019, Taschenbuch, 12 x 19 cm, 278 S., 10,90 Euro (D) / 11,30 Euro (A), ISBN 978-3-86374-508-0.

Hörbuch-Tipp:
Andreas Winter: Artgerechte Partnerhaltung. Das Geheimnis glücklicher und beständiger Liebe. Hörbuch mit Coaching. Mankau Verlag 2019, Digifile mit 3 Audio-CDs, Gesamtlaufzeit ca. 231 Min., 19,95 Euro UVP (D/A), ISBN 978-3-86374-511-0.

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