„Greifen Sie bei Depressionen nicht vorschnell zur chemischen Keule!“ – Interview mit Dr. med. Eberhard J. Wormer

„Die rasante Zunahme psychischer Erkrankungen wird vielfach diskutiert. Dabei wird jedoch nur selten thematisiert, dass Depressionen oftmals körperliche Ursachen haben; zu den häufigsten zählen dabei Mangelzustände an Vitaminen, Mineralstoffen oder Hormonen. Mein Hauptanliegen ist es, zur Selbsthilfe zu motivieren – ich bin selbst überrascht, wie viel man tun kann, um depressive Probleme in den Griff zu bekommen.“ Dr. med. Eberhard J. Wormer – Autor des Kompakt-Ratgebers „Natürliche Antidepressiva“, der jetzt in einer aktualisierten und deutlich erweiterten Neuauflage erschienen ist – klärt über die möglichen Ursachen von depressiven Zuständen auf, erläutert die Risiken der medikamentösen Behandlung und stellt natürliche Wege aus dem Stimmungstief vor.

Aktuelle Studien bestätigen, dass die Häufigkeit von Depressionen im Verlauf der Corona-Pandemie dramatisch zugenommen hat. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?

Dr. med. Wormer: Weltbewegende Ereignisse wie eine Pandemie machen häufig latent vorhandene Problematiken stärker sichtbar. Das trifft auch auf die Depression zu. Ob man wirklich von einer dramatischen Zunahme ausgehen kann – die ja schon lange vor Corona von der WHO prognostiziert wurde – oder ob man nur genauer hingeschaut hat, ist Interpretationssache. Grundlage von Studien sind Befragungen und ICD-Symptomskalen, um depressive Zustände zu erfassen. In der Tat schaffen Lockdowns, Sperrstunden, Quarantäne, mediale und politische Propaganda, Verbote und Strafandrohungen, zwangsweise Isolierung/Impfung ein Klima der Angst, Hilflosigkeit und Ohnmacht. Kinder, Jugendliche, Frauen, Migranten, alte und kranke Menschen – der verletzliche Teil der Bevölkerung – sind die ersten Opfer solch einschneidender Sanktionen. Hinzu kommt die depressive Belastung durch Covid-19-Erkrankungen und die gewollte Stigmatisierung von Ungeimpften. Das Bundesland Bayern hat sich einer Studie zufolge (Front Psychol 2021) besonders repressiv profiliert und die geschürten Ängste skrupellos für Macht- und Profitinteressen instrumentalisiert. Das verschärft Depressions- und Suizidrisiken, bringt auch emotional stabile Menschen an den Rand der Verzweiflung. Mit Medizin hat all das nichts zu tun.

Ihr Ratgeber „Natürliche Antidepressiva“ erscheint nun in einer überarbeiteten und erweiterten Auflage. Welche Neuerungen gibt es?

Dr. med. Wormer: Aus meiner Sicht stellt dieses Buch in erweiterter Form erstmals alle verfügbaren Optionen zur Behandlung depressiver Zustände vor, die nicht psychopharmakologisch orientiert sind. Das Buch sollte gut lesbar und verständlich sein und zur Selbsthilfe motivieren – ein Hauptanliegen. Ich bin selbst überrascht, wie viel man tun kann, um depressive Probleme in den Griff zu bekommen! Klar ist, dass die Psychopille eine Sackgasse ist: vielfach unwirksam und nebenwirkungsbelastet, primär hoch profitabler Medizin-Mainstream. Anders als natürliche Antidepressiva, die auf Heilung durch Selbstheilung setzen, komplexe ganzheitliche Heilung. Hochinteressante Neuzugänge sind Cannabinoide (Hanfgewächse) und Psilocybin, das in Pilzen vorkommt. Beide Stoffgruppen sind seit Jahrzehnten geächtet, verboten und als Drogen diffamiert worden. Entgegen jeder Vernunft, entgegen wissenschaftlicher Evidenz und trotz ihrer kulturellen Verankerung seit Urzeiten. Die bislang blockierte Forschung hat nun wieder Fahrt aufgenommen und bestätigt den therapeutischen Nutzen von Cannabinoiden und Psilocybin. Verträgliche, sichere und wirksame Antidepressiva sind dringend nötig angesichts der Traumatisierung ganzer Bevölkerungen durch Kriege, Naturkatastrophen oder Pandemien. Ich ermutige zur Selbsthilfe. Unterstützung von Bürokraten, Kostenträgern und Institutionen ist hierzulande nicht zu erwarten. In jedem Fall wird Psilocybin für die Heilung schwerer Depressionen in Zukunft eine prominente Rolle spielen.

Sie verstehen Depression als eine natürliche Reaktion auf jede Art von Stress und Trauma, die in vielen Fällen durch körperliche Ursachen ausgelöst wird. Was steckt dahinter?

Dr. med. Wormer: Jede Art von überdurchschnittlichem Stress verschiebt die Gefühlslage in Richtung Depression. Manchmal bemerken wir es, manchmal nicht. Körperliche und psychische Verletzungen – Traumatisierungen – können abheilen, hinterlassen aber bleibende Spuren oder Narben, mit denen die Betroffenen weiterleben. Je nachdem, wie stark die Traumatisierung ausgeprägt ist, kann auch die Depression unterschiedlich ausgeprägt sein. Wenn Sie sich etwa nach einer Erkältung erschöpft, müde und deprimiert fühlen, sollten Sie daran denken, dass dies eine natürliche Reaktion des Körpers ist, die mit fortschreitender Genesung verschwinden wird. Wenn Sie einen Herzinfarkt erlitten haben, müssen Sie mit einem ausgeprägten depressiven Zustand rechnen – heute versucht man vermehrt, das Risiko Depression bei der Therapie des Herzinfarkts zu berücksichtigen. Ein Grund für die Depression nach Traumatisierung ist die enge Vernetzung von Immunsystem und Nervensystem – der Körper hat die Priorität auf körperliche Genesung gesetzt, was zu Abstrichen bei den Glückshormonen führt. Das ist naturgegeben.

Der stimmungsmäßige Gegenpol zur Depression ist die sogenannte Manie. Woran merken Betroffene, dass sich „normale“ Stimmungsschwankungen zur Krankheit entwickeln?

Dr. med. Wormer: Die Betroffenen fühlen sich super! Möglicherweise zu super. Bei ausgeprägter Manie nimmt das Schlafbedürfnis ab, der Appetit schwindet, und ein enormer Tatendrang macht sich bemerkbar. Maniker haben weltbewegende Ideen (die jeder Grundlage entbehren), die sie ihrem Umfeld mit größter Überzeugung nahebringen. Sie haben eine charmante, manchmal unwiderstehliche Ausstrahlung und fühlen sich einfach großartig. Im manischen Zustand werden in kürzester Zeit Konten bei fünf Banken eröffnet, drei Autos gekauft, immense Schulden gemacht und mehrfache Eheversprechen abgegeben. Die Manie ist der „Speedmodus“ des Lebens, rastlos getrieben von grandiosen Ideen, schlaflos und hyperaktiv und 1000-prozentig motiviert. Lässt die Manie nach, stehen die Betroffenen vor einem Scherbenhaufen. Im Prinzip hat der Maniker keine Wahl, er stürzt zwangsläufig in seine Raserei. Es ist eher das Umfeld, das solche Verhaltensauffälligkeiten bemerken und als Teilerscheinung einer psychischen Erkrankung erkennen sollte. Ist der manische Zustand gering ausgeprägt, spricht man von Hypomanie. Dieser Zustand kommt sehr viel häufiger vor. Betroffene gelten meist als „normal“, höchstens als „hyperaktiv“, „nervig“ oder „Machertyp“. Gleichwohl kann der Umgang mit diesen permanent zu gut gestimmten Charakteren anstrengend und belastend sein.

Bei der Behandlung depressiver Patienten setzt die Medizin sehr häufig und oft leichtfertig auf den Einsatz chemischer Antidepressiva und starker Psychopharmaka. Was sind die Risiken dieser Mittel, und welche alternativen Maßnahmen bieten sich an?

Dr. med. Wormer: Jede Therapieoption hat ihre Indikation und Berechtigung sowie bei richtiger Diagnose auch eine Erfolgswahrscheinlichkeit. Antidepressiva, alternative Mittel und Psychotherapie können einzeln oder kombiniert dazu beitragen, dass eine belastende oder lebensgefährliche Depression beseitigt wird. Zunächst muss geklärt werden, ob eine depressive Verstimmung oder eine echte Depression vorliegt. Dann muss sichergestellt sein, dass kein Mangelzustand irgendeiner Art herrscht. Wenn das geklärt ist und dennoch eine (zunehmend stärkere) Depression bemerkbar ist, können Psychopharmaka indiziert sein – um die Gemütslage zu stabilisieren und Suizid vorzubeugen. Antidepressiva sollten möglichst nur eine begrenzte Zeit benutzt werden. Psychotherapie kann bei jeder Stimmungsstörung wirksam und empfehlenswert sein. Sie ist gleichfalls eine bedarfsabhängige und temporäre Maßnahme, vor allem in Krisensituationen – mitunter erwies sich Psychotherapie in Studien mit Depressiven genauso wirksam wie Antidepressiva! Alternative Mittel sind die „First-Line-Therapie“ bei depressiven Zuständen und Verstimmungen: Beseitigung von Mangelzuständen, Behandlung von Drüsenstörungen, Förderung der Genesung, Stärkung des Immunsystems, Bewegungstraining oder künstlerische Aktivität.

Bei der Diagnose psychischer Erkrankungen wird häufig übersehen, dass diese Ausdruck einer Störung des körperlich-seelischen Gleichgewichts oder nicht erkannter Mangelerscheinungen sein können. Was sind hier die Ursachen und mögliche Symptome?

Dr. med. Wormer: Die häufigsten Mangelzustände, die depressive Verstimmung verursachen, sind Vitamin-D-Mangel, Eisenmangel, Vitamin-B12-Mangel und Mangel an Schilddrüsenhormonen. All diese Zustände lassen sich leicht erkennen und erfolgreich behandeln – wenn man daran denkt und diese Möglichkeit nicht als belanglos oder unwichtig abtut. Für Ärzte ist Depression bei Patienten in der Regel ein „Nebenschauplatz“, der durch Antidepressiva-Verordnung abgehakt wird. Wer das zulässt, tappt möglicherweise völlig ahnungslos in die „Antidepressivafalle“, wo er jahrelang bleiben kann. Sie sollten daher nicht dem Arzt die Verantwortung überlassen, sondern selbst aktiv werden: Sie lassen Ihre Werte kontrollieren, identifizieren Mangelzustände und beseitigen sie durch Nahrungsergänzung. Es ist tatsächlich sehr einfach und preiswert – und in vielen Fällen sehr erfolgreich.

Was ist der Vorteil an den „natürlichen Antidepressiva“, und welche Risiken sind dabei zu beachten?

Dr. med. Wormer: Da natürliche Antidepressiva überwiegend körpereigene oder körperähnliche Stoffe sind, sind echte Nebenwirkungen kaum zu befürchten. Es gibt bei manchen Mitteln bestimmte Vorgaben für die Dosierung und Anwendung, die beachtet werden sollten. Die seltene Ausnahme ist der Elementarstoff Lithium, der nur unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt wird – Lithium ist ein Stimmungsstabilisierer zur Behandlung der bipolaren Erkrankung. Gesunde Ernährung, körperliche Bewegung, Psychotherapie, Schlafentzug und Kunsttherapie sind sehr sichere Empfehlungen.

Aufgrund ihrer Neben- und Wechselwirkungen raten Sie vom leichtfertigen Gebrauch von Psychopharmaka ab. Wann ist der Einsatz der „chemischen Keule“ dennoch unerlässlich?

Dr. med. Wormer: Ja, ich rate dringend vom leichtfertigen Gebrauch von Antidepressiva ab und verabscheue die verantwortungslose Verordnung von Psychopharmaka! Antidepressiva und Psychopharmaka haben ihren Platz bei echten Depressionen oder Psychosen. Sie können im Akutfall und bei wiederkehrenden depressiven Phasen dabei helfen, schwere psychische Krisen zu überstehen und Suizide zu verhindern – wenn sie denn wirken. Sie können Leben retten, sind aber keine nachhaltige Lösung oder gar ein Heilmittel bei psychischer Erkrankung.

Seit Jahrtausenden begleiten psychische Ausnahmezustände die Menschheit und haben als „Melancholie“ ihren Ausdruck in Kunst und Literatur hinterlassen. Welche Rolle spielt die Kreativität bei der Bewältigung und Behandlung seelischer Krankheiten?

Dr. med. Wormer: Das ist leicht zu beantworten: Jede Art künstlerischer oder kultureller Betätigung – sei es nun Musik, Malen, Schreiben, Töpfern oder was auch immer motiviert – kann die Psyche stabilisieren und zur Bewältigung von Stimmungsstörungen erfolgreich beitragen. Ein Seelenheilmittel.

Buch-Tipp:
Dr. med. Eberhard J. Wormer: Natürliche Antidepressiva. Kompakt-Ratgeber. Sanfte Wege aus dem Stimmungstief. Mankau Verlag, 2. akt. und erw. Aufl. Juni 2022. Klappenbroschur 11,5 x 16,5 cm, farbig, 158 S., ISBN 978-3-86374-664-3, 12,00 Euro (D) / 12,40 Euro (A).

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